EZB-Präsident Draghi rät vom Sparbuch ab – Geldanlage mit Zinsen gesucht
Höhere Zinsen auf dem Sparbuch waren einmal – heute sind Alternativen bei der Geldanlage gefragt. Dass die deutschen Anleger umdenken sollten bei der Art und Weise, wie sie ihr Geld sparen und anlegen, hat auch Europas oberster Währungshüter angemahnt. Der Chef der Europäischen Zentralbank Mario Draghi richtete sich in einem Interview mit der BILD direkt an die hiesigen Sparer und riet ihnen, auch andere Möglichkeiten der Geldanlage in Betracht zu ziehen.
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Das Geld muss nicht auf dem niedrig verzinsten Sparbuch bleiben
In Deutschland muss Notenbankchef Draghi seit Jahren viel Kritik für die Null-Zinspolitik der Zentralbank einstecken. Dass die deutschen Sparer äußerst unzufrieden sind angesichts der Niedrigzinsen, dafür äußerte der EZB-Präsident sein vollstes Verständnis: „Die Lage der Sparer ist uns sehr wohl bewusst. Und nicht nur in Deutschland müssen Sparer mit niedrigen Zinsen leben“, gab Europas oberster Währungshüter zu Protokoll.
Insbesondere Politiker der Unions-Fraktionen werfen der Notenbank regelmäßig vor, sie würde die deutschen Sparer enteignen. Damit berühren die Volksvertreter einen wunden Punkt, unterschlagen aber auch gern ihre eigenen Versäumnisse bei der ökonomischen und politischen Mitgestaltung. Manchmal wirkt der Italiener wie der willkommene Prügelknabe, um von eigenen Fehlern oder Unterlassungen abzulenken. Schließlich hat der EZB-Chef eine Zinspolitik zu gestalten, die allen Mitgliedern einer Währungsunion gerecht werden muss.
Auf der Suche nach Rendite und Zinsen stehen den Leuten bei der Geldanlage auch Alternativen zur Verfügung, so Draghi: „Die Sparer müssen ihr Geld nicht auf dem Sparbuch anlegen, sondern haben auch andere Möglichkeiten.“
Zinsersparnisse einer Minderheit stehen Zinsverluste einer Mehrheit gegenüber
Die DZ Bank hat errechnet, wieviel Geld jeder Bundesbürger seit Beginn der Niedrigzins-Ära bereits verloren hat. Im Schnitt belaufen sich die Zinsverluste auf 2.450 Euro pro Kopf, wie die Tageszeitung „Welt am Sonntag“ aus der DZ Bank-Studie ermittelte. Hinzu kommen noch indirekte Einbußen, die nahezu jeden betreffen. Von den möglichen Zinsersparnissen, etwa beim Hausbau, profitiert hingegen nur eine Minderheit.
So haben im Bereich der Geldanlage als auch bei Krediten die Zinsen in den letzten Jahren immer neue historische Tiefststände erreicht. Wer z.B. einen Immobilienkredit benötigt, kann sich freuen. Insgesamt zahlten Privathaushalte im von der DZ Bank-Studie betrachteten Zeitraum zwischen 2010 und 2015 rund 108 Milliarden Euro weniger Kreditzinsen an Banken und Sparkassen. In diesem Jahr könnten voraussichtlich noch einmal Kreditzinsersparnisse von rund 35 Milliarden Euro hinzukommen.
Nur, eine Immobilie kauft oder baut nicht jeder. Und einen Konsumentenkredit nehmen auch nur die Wenigsten auf. Deren Zinsersparnisse stehen massive Zinsverluste der sparenden und an Zinsgewinnen interessierten Mehrheit der Anleger gegenüber.
Zinseinbußen bei Tagesgeld, Sparbuch und Co.
Im Betrachtungszeitraum zwischen 2010 und 2015 büßten die deutschen Anleger mit ihren Tagesgeldkonten, Sparbüchern und Festgeldanlagen sowie Versicherungen insgesamt 261 Milliarden Euro ein. Und diese Verluste haben sich im Jahr 2016 noch einmal um rund 82 Milliarden Euro aufsummiert.
Damit stehen den oben genannten Kreditzinsersparnissen in Höhe von rund 143 Milliarden Euro insgesamt 343 Milliarden Euro Zinsverluste bei Sparbuch, Festgeld und Co. gegenüber – also satte 200 Milliarden Euro Differenz.
Noch nicht einmal einberechnet sind dabei die indirekten Einbußen, etwa durch Gebührenerhöhungen bei Girokonten oder Beitragssteigerungen bei Krankenversicherungen. Nur mit den Einlagen der Sparer können die Finanzinstitute kaum noch Geld verdienen. Und die Versicherungen können die Beiträge der Versicherten nicht mehr so gewinnbringend anlegen wie zuvor.
Lohnt sich das klassische Sparen also überhaupt noch? Ökonomen und Politiker warnen bereits, dass die Niedrigzinspolitik der EZB ein fatales Signal aussendet, nämlich, dass Vorsorge und Sparen seinen Sinn verlieren könnte.
Alternativen bei Festgeld und Tagesgeld variieren bei Zinskonditionen
Die beliebtesten Anlageformen der Deutschen lauten dennoch nach wie vor: Girokonto – Tagesgeld – Sparkonto – Festgeld. Allen vier Anlageformen gemein sind die Sicherheit des angelegten Kapitals sowie dessen regelmäßige Verzinsung. Bei dem zweiten Punkt hakt es aber seit einiger Zeit deutlich. So gibt es auf Girokonten oft gar keine Zinsen, beim Tagesgeld nur äußerst geringe und nur unwesentlich höhere Verzinsungen bei Sparkonten und Festgeldern. Zudem fehlt letzteren auch die vielen Privatanlegern so wichtige Flexibilität.
Inzwischen haben sich auch Online-Finanzportale auf den Konditionenvergleich von Banken in den Bereichen Tagesgeld und Festgeld spezialisiert. Dort werden zumeist die Angebote ausländischer – häufig osteuropäischer Kreditinstitute offeriert, die bei entsprechender Geldanlage höhere Zinsen als hiesige Institute bieten. Als Sicherheiten wird gern die europäische Einlagensicherung für Sparguthaben angegeben. Ob die im Falle eines Falles tatsächlich greift und jede portugiesische, griechische oder bulgarische Bank, von der die meisten von uns vorher noch nie etwas gehört haben, herausgehauen wird, steht auf einem anderen Blatt.
Außerdem weist eine genauere Untersuchung der Frankfurter Allgemeinen Zeitung daraufhin, dass ausländische Banken die Zinskonditionen anders gestalten können als hierzulande üblich. In Deutschland werden in der Regel auf in Festgeld angelegtes Kapital Zinsen per annum (p.a.) gezahlt. Liegt das Geld also für zehn Jahre fest, dann gibt es im ersten Jahr einen Zins oben drauf. Im zweiten Jahr kommt der Zinseszinseffekt zum Tragen, es wird also das Anlagekapital plus Zinsen aus dem ersten Jahr noch einmal verzinst und immer so weiter. Im Ausland hingegen ist es durchaus üblich, die Verzinsung endfällig gutzuschreiben. Das heißt, erst nach zehn Jahren wird das Anlagekapital ausgezahlt zuzüglich zehnmal den Zins für jedes einzelne Anlagejahr. Das kann durchaus Einfluss auf die Höhe des letztendlich zurückgezahlten Geldes haben. Oft wirken die Angebote mit höherem (endfälligen) Zinssatz attraktiver, obwohl bei den niedrigeren (per annum) Angeboten durch den Einfluss des Zinseszinseffekts eine höhere Endsumme herausspringen kann.
Zinsen auf sichere Staatsanleihen werden durch Kursverluste aufgefressen
Aktien sind für viele Privatanleger nur selten eine Alternative – das Auf und Ab der Börse schreckt die meisten ab. Auch Staatsanleihen erscheinen nicht mehr als die sichere, wenn auch renditeschwächere Alternative zu Wertpapieren von börsengelisteten Unternehmen. Zwar gelten etwa deutsche Staatsanleihen als nahezu ausfallsicher, doch sind auch sie vor Kursverlusten nicht gefeit. Das anhaltende Absinken des Zinsniveaus hat die Kaufkurse der Anleihen steigen lassen – schließlich wurden ältere Anleihen mit höheren Zinsen mit der Zeit wertvoller.
Doch inzwischen ist das Zinsniveau so niedrig, dass selbst ein minimaler Zinsanstieg die Kurse dramatisch nach unten ziehen kann. Wenn Anleihepapiere des Bundes mit zehnjähriger Laufzeit nur noch magere 0,5 Prozent Rendite bringen, rentieren Papiere mit kürzeren Laufzeiten teilweise sogar im Minus. Wer also zehnjährige Papiere mit dieser „Immerhin-Mini-Rendite“ kauft, muss damit rechnen, dass er am Laufzeitende möglicherweise mit einem Verlust dasteht, wenn deren Kurse nur um wenige Prozent nachgeben.
Möglicherweise wird die Nullzinsphase noch jahrelang anhalten. Höhere Leitzinsen könnten in vielen Staaten der Eurozone schwere Finanzprobleme auslösen, schließlich sollen die niedrigen Zinsen die dortigen Unternehmen und Volkswirtschaften zu mehr Investitionen und höherem Wirtschaftswachstum anregen. Doch scheinen sich inzwischen auch erste Anzeichen einer Zinswende anzudeuten.
Lebensversicherungen rentieren sich kaum noch
Das Problem einer Zinswende wird sein, dass die Bestände an niedrig verzinsten Anleihen im Verhältnis immer stärker an Wert verlieren, wenn die Kurse nachgeben. Der Anleihe-Markt ist deutlich komplexer als der Aktienmarkt. Diese Komplexität haben die erfahrenen Anleihemanager der Lebensversicherer den Kunden abgenommen und in ihre einfach zu verstehenden Versicherungsprodukte gegossen. Doch gegen das Niedrigzinsniveau kann auch der beste Anleihemanager nichts ausrichten.
Die Lebensversicherungen – das einstmals liebste Kind der Deutschen in Sachen Altersvorsorge – sind oftmals gesetzlich dazu verpflichtet, einen Teil des Geldes der Versicherten in Form von Zinsanleihen mit guter Bonität anzulegen. Jedes Jahr laufen die älteren – noch attraktiv verzinsten – Papiere aus, die neuen Anlagen werfen weniger ab. Dadurch fällt es den Versicherern schwer, die den Kunden gemachten Garantiezusagen zu erfüllen. Von den Überschussbeteiligungen gar nicht zu reden.
Der Überschuss spielte eine wichtige Rolle bei der Berechnung der zukünftigen Auszahlung und war oft ein ausschlaggebendes Verkaufsargument. In Altverträgen lag die garantierte Verzinsung zu Spitzenzeiten noch bei vier Prozent. Die Lebensversicherer kalkulierten jedoch mit satten Überschussbeteiligungen und rechneten den Kunden im Verkaufsgespräch eine mögliche Verzinsung in Höhe von sieben Prozent vor. Die sind unter den heutigen Bedingungen nicht mehr zu erreichen und die prognostizierten Ergebnisse schrumpfen empfindlich zusammen. Die Lebensversicherungskunden rechneten in einem derzeit dem Finanzausschuss des Bundestages vorliegenden Beispiel mit 63.000 Euro und bekommen am Ende knappe 36.000 Euro heraus.
Garantiezins auf Lebensversicherungen unter 1 Prozent
Und dieses Beispiel dürfte Schule machen. Denn schließlich ist der Garantiezins inzwischen bei nur noch 0,9 Prozent angekommen. Alles darüber hinaus ist optional und wird sich wohl irgendwo zwischen 0,9 Prozent und 3,5 Prozent einpendeln.
Zum Problem für die Kunden werden dann allerdings vor allem die hohen Kosten einer Lebensversicherung. Zieht man noch von den in eine Lebensversicherung eingezahlten Beträgen die Kosten ab, ergibt sich für viele Versicherte mit Neuverträgen und 0,9-prozentigem Garantiezins bereits jetzt schon ein Negativzins. Der wird nur durch lange Laufzeiten und eben durch die möglichen Überschussbeteiligungen ausgeglichen bzw. in ein Renditeplus gedreht. Doch diese zusätzlichen Gewinne sind eben nicht garantiert. Und auch wenn niemand einen juristischen Anspruch auf Zinsen besitzt, sollte sich genau überlegt werden, ob man weiter auf die vergleichsweise bequeme, dafür aber auch kostenintensive und mit weniger absichernden Garantien unterlegte Lebensversicherungspolice setzen möchte.
Direkte Unternehmensfinanzierungen als Zins-Alternative bei der Geldanlage
Während viele traditionelle Finanzanlagen durch die Niedrigzinsen in Bedrängnis geraten, haben sich alternative Wege bei der Geldanlage eröffnet. Dazu gehören auch sogenannte Crowdinvestments. Insbesondere der dazugehörige Sektor Crowdlending hat sich als Geldanlage mit regelmäßigen Auszahlungen von Zinsen an die investierenden Anleger etabliert. Die Funktionsweise ist denkbar einfach: Ein Unternehmen oder eine Privatperson benötigen einen Kredit, der ihnen von einer Vielzahl von Investoren zur Verfügung gestellt wird. Im Gegenzug für das ausgeliehene (engl.: to lend) Geld verpflichtet sich der Kreditnehmer bzw. das Kredit aufnehmende Unternehmen zu regelmäßigen Zins- und Tilgungszahlungen an die investierende Anlegerschar.
Der Vorteil beim Crowdlending: Das investierte Kapital ist nicht vollständig auf Jahre gebunden wie bei einer Festgeldanlage und bietet zudem zum Teil deutlich höhere Zinsen als diese. Außerdem sind sie für Anleger in der Regel nur mit geringen Gebühren verbunden oder sogar komplett gebührenfrei. Der Nachteil: Kreditprojekte mit höherem Zinssatz und schlechterer Risikoeinstufung sind tendenziell etwas riskanter und es ist mit möglichen Zahlungsstörungen bei der Tilgung zu rechnen. Daher wird dazu geraten, beim Crowdlending – wie bei jeder Geldanlage – eine Verteilung über mehrere Projekte vorzunehmen und nicht alles Geld in ein einzelnes Kreditprojekt zu stecken.
Mehr Auswahl bei der verzinsten Geldanlage
Die Geldanlage für Sparer auf der Suche nach Zinsen ist in den letzten Jahren schwieriger, aber auch vielfältiger geworden. Während die klassischen Anlagemöglichkeiten wie Lebensversicherungen immer weniger Garantien bieten können, an der Höhe der Abschluss- und Verwaltungskosten jedoch nur wenig verändert haben, werfen Sparbuch, Tagesgeld und Festgeld nur noch geringe Zinsen pro Jahr ab. In diesem Sektor bieten allerdings Online-Vergleichsportale inzwischen die Angebote von europäischen Kreditinstituten an. Dabei ist jedoch auf die spezifische Zinsgestaltung und auf die jeweiligen Einlagensicherungssysteme der Länder zu achten.
Als neuartige Alternative im Zinssektor haben sich hingegen Crowdfinanzierungen etabliert. Diese betreiben im Grunde das klassische Kreditgeschäft einer Bank, arbeiten jedoch im Gegensatz zu den herkömmlichen Anbietern kostengünstiger und können daher den Zins an die Anleger weitergeben.
Damit stehen tatsächlich mehr Alternativen bei der verzinsten Geldanlage zur Verfügung als früher, nur dass die klassischen Varianten mittlerweile deutlich weniger zu bieten haben.