Tiere in der Finanzwelt
Taube, Geier, Hai und Heuschrecke: Wenn Finanzexperten die komplexe Finanzwelt erklären, greifen sie oft auf Tiere zurück. Kennen Sie deren Bedeutung? Lesen Sie einfach mal weiter und prüfen Sie sich selbst.
Inhaltsverzeichnis
Tiere als Sinnbilder in der Finanzwelt: Besonders im angelsächsischen Raum werden Tiermetaphern häufig im Alltag an den Börsen verwendet. Wenn US-Amerikaner von einem „Bullenmarkt“ sprechen, verstehen viele die Bedeutung. Denn dort beginnen bereits junge Studenten sich mit den Finanzmärkten auseinanderzusetzen und kommen so zwangsläufig mit dem Finanzjargon in Berührung.
So entstanden im Englischen sogar neue Adjektive, die auf der Bedeutung eines Tiernamens basieren und speziell für ein bestimmtes Verhalten am Finanzmarkt stehen. Was die einzelnen Metaphern im Genauen bedeuten erfahren Sie jetzt.
Tauben und Falken
Bei der Diskussion rund um das Verhalten von Zentralbanken, insbesondere der Federal Reserve, tauchen vermehrt typische Begriffe auf, die gerade unerfahrenen Anlegern wenig sagen. Was bedeuten „dovish“ und „hawkish“? Rein vom Wortsinn abgeleitet ist „dovish“ das Verhalten einer Taube (engl.: Dove). „Hawkish“ ist das, was ein Falke (engl.: Hawk) macht.
Tauben sind Verfechter einer lockeren Geldpolitik. Das heißt, die Zentralbanken sollen für niedrige Zinsen und billiges Geld sorgen. Eine steigende Inflation ist erstmal kein Grund zur Sorge. Insbesondere nach der Finanzkrise 2009 hat die amerikanische Notenbank FED sowie die EZB eine „dovishes“ Verhalten an den Tag gelegt, um das Wirtschaftswachstum und Finanzierung von Unternehmern anzukurbeln.
Falken stehen für eine restriktive Geldpolitik. Die Inflationsbekämpfung wird dabei als Hauptaufgabe der Zentralbanken gesehen. In den USA hat sich die Stimmung bereits gedreht. Die FED ist über die vergangenen Jahre von einer „dovishen“ hin zu einer „hawkishen“ Geldmarktpolitik gewechselt.
Bulle und Bär
Der Bär drückt die Börsenkurse mit seinen Tatzen auf den Boden, während sie der Bulle auf seine Hörner nimmt und hinauf schleudert. Kein Wunder, dass der Bulle unter Investoren am beliebtesten ist.
Er ist nicht nur kraftvoll, sondern auch entschlossen und männlich, da will sich so mancher Investmentbanker gern selbst wiedererkennen. Seit der Finanzkrise 2009 haben viele Anleger von über 9 Jahren „bullishen“ Märkten profitieren können. Seit Ende 2018 sind die Bären jedoch ein wenig stärker geworden und drücken die Märkte wieder nach unten.
Das Problem dabei: Wer von einem Bullen in die Luft geschleudert wird, der muss zwangsweise irgendwie auch wieder herunterkommen, denn die Luft hat bekanntlich keine Balken, an denen man sich festhalten könnte. An so was denken Anleger in ihrem Höhenrausch aber natürlich nicht. So stürzen viele dann unvermittelt wieder ab und landen unsanft im Bären-Markt.
Für viele noch schmerzhafte Erinnerung: Das Platzen der Dotcom Blase um das Jahr 2000 herum, als viele Anleger ihr Vermögen verloren. Unternehmen wie beispielsweise Paypal verloren damals etwa 80% an Börsenwert innerhalb weniger Tage.
Wolf
Während der Wolf allein noch nicht ein eigenständiger Begriff in der Finanzwelt ist, wurde das Tier (und sein bildlicher Gebrauch als „raubgieriges, wildes oder gefräßiges“ Wesen) mehrmals benutzt, um auf mächtige (und manchmal kriminelle) Personen an der Börse anzuspielen.
Der bekannteste “Wolf” der vergangenen Jahre ist mit Abstand Jordan Belfort, der wegen Aktienbetrugs im Zusammenhang mit fragwürdigem Penny Stock Trading und Marktmanipulationen verurteilt wurde. Belforts Werdegang und sein verschwenderischer Lebensstil wurden in Martin Scorseses Film „The Wolf of Wall Street“ 2013 zum Kassenschlager.
Heuschrecke
Die Evolution ist ein konstanter Prozess ohne plötzliche Entwicklungen, der Millionen von Jahren dauert. Bis zum 17. April 2005. Denn an diesem Tag wurde ein neues Tier erschaffen: die Finanz-Heuschrecke. Ihr Schöpfer war der damalige SPD-Vorsitzende Franz Müntefering. Seine Ansicht: Skrupellose Investoren zerschlügen Unternehmen zum Zwecke kurzfristiger Gewinnmaximierung ohne Rücksicht auf die langfristigen sozialen Kosten.
Ob die Kaufhauskette Hertie, der Modelleisenbahnbauer Märklin oder der Nähmaschinenhersteller Pfaff — immer wieder wird die Krise deutscher Unternehmen, den „Heuschrecken“ zugeschrieben. Leidtragende sind vor allem die Arbeitnehmer.
Nach dem Bild von Heuschrecken machen diese sich über blühende Landschaften her, fressen diese kahl, um sich dann auf ihr nächstes Opfer zu stürzen. Wie sie das genau macht, darüber sind sich nicht alle einig: Die einen glauben, sie täte dies maskiert als Hedgefonds, die anderen tippen auf die Tarnung als Private-Equity-Gesellschaft.
Hai
Es gibt ihn in unterschiedlichen Varianten — als hungriges Großexemplar, welches seine Opfer regelrecht verschlingt, aber auch als kleines, eher lästiges Fischlein. Zur ersten Sorte gehört der „Miethai“. Sein bevorzugtes Revier sind Stilaltbauwohnungen in Großstädten wie München, Berlin oder Frankfurt. Dort schwimmt er jedoch nicht in der Badewanne, sondern verewigt sich in Mietverträgen im Absatz „Mietkosten“.
Dadurch ist der „Miethai“ zumindest sofort erkennbar und für die meisten zu umgehen. Ganz anders dagegen im Fall des „Kredithais“. Dieser schleicht sich in gerissener Tarnung an seine Opfer heran und verbirgt sich hinter einem Schleier aus Zinseszins-Schuppen, die für den Nicht-Schwimmer im Finanzbecken schwer zu erkennen sind.
Er zerfleischt seine Opfer außerdem nicht unmittelbar, sondern lässt sie vielmehr langsam leiden und ausbluten. Zur eher harmlosen, aber nervenden Spezies gehört der „Gebühren-Hai“. Dieser verschlingt niemanden, bringt aber trotzdem viele um kleine Summen Geld.
Truthahn
Ein Truthahn wird über Wochen und Monate gefüttert. Jeden Tag merkts sich sein Gehirn, dass sich die Menschen um sein Wohlergehen sorgen, und jeden Tag bestätigt sich diese Feststellung. Bis der Truthahn an einem bislang ruhigen Mittwochnachmittag, einen Tag vor „Thanksgiving“, eine unschöne Überraschung erlebt.
Nassim Nicholas Taleb, ehemaliger Börsenhändler und Professor für Risikoanalyse in New York, hat mit dieser Metapher der Debatte um die Finanzkrise 2009 eine neue Wendung gegeben. Es geht um den Überraschungseffekt, um die Erkenntnis, dass der arme Truthahn bis zum tausendsten Tag nur Aussagen über die Vergangenheit, nicht aber über die Zukunft machen konnte. Am tausendundersten Tag wurde ihm das zum Verhängnis.
Viele Anleger agieren wie der Truthahn: Sie schauen auf die Wertentwicklung der Vergangenheit und glauben, dass diese so auch zukünftig erzielt wird. Je länger die Zeit positiver Entwicklungen anhält, desto größer wird das Vertrauen. Die Risiken werden verdrängt und immer mehr Geld wird in die vermeintlich sichere Anlage investiert. Bis für die Anleger die große (negative) Überraschung kommt und Sie große Teile Ihres Vermögens verlieren.
Das Kapilendo Schlusswort
Es gibt viele weitere Tiermetaphern in der Finanzwelt. Oft sollen sie Eigenschaften oder typische Verhaltensweisen der Marktteilnehmer mit einfachen Bildern veranschaulichen. Sicher sind nicht alle Investoren so stereotypisch wie in unseren Beispielen. Und so manchem Tier wird wohl auch mit dem Bild, für das es steht, Unrecht getan.
Vielleicht helfen trotzdem Tiermetaphern, um Anleger auf psychologische Fallen beim Investieren aufmerksam zu machen oder das Interesse an Vermögensanlagen zu wecken.
Björn Siegismund, Chefstratege der Kapilendo AG